Kommunale Agenda 21 Petershausen

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Die Lokale Agenda 21:
Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung

Zum Begriff Nachhaltigkeit

In der umweltpolitischen Diskussion sind Begriffe wie "sustainable development" und "sustainability" modern geworden. "Sustainability" bedeutet wörtlich übersetzt "Aufrechterhaltbarkeit". Positiv angenommen wurde auch die Übersetzung des Wuppertal-Instituts "Zukunftsfähigkeit" und später "Zukunftsbeständigkeit". Auch in der deutschen Diskussion kam der Begriff "Nachhaltigkeit" auf. Dieser Diskurs ersetzt zunehmend den Ökologie-, den Nord-Süd- oder auch den Feminismusdiskurs. Es geht also um die Aufrechterhaltbarkeit der sozialen und natürlichen Systeme unter den eher schwieriger werdenden Bedingungen der Zukunft, es geht um eine nachhaltige, um eine zukunfts­beständige Entwicklung. In der Literatur gibt es dazu sehr viele Definitionsansätze und Erklärungsversuche.

Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Die Strategie der Forstpolitik beruht auf dem über 200 Jahre alten Verständnis einer umfassend nachhaltigen Bodennutzung, nämlich nicht mehr abzuholzen als nachwächst. Ihr Leitbild heißt, "von Zinsen leben, nicht von Kapital". Damit hat sie entscheidende Impulse für die moderne Diskussion um eine "nachhaltige Entwicklung" gegeben.

Die wichtigsten Stationen für die Entwicklung des Begriffs Nachhaltigkeit sind:

Nachhaltigkeit lässt sich über verschiedene Aspekte erklären. Diesem Text liegt folgendes Verständnis von Nachhaltigkeit zu Grunde:

Die Generationengerechtigkeit
Die Menschen in den hoch entwickelten Staaten der Erde (v.a. auf der Nord-Halbkugel) leben schon weit über ihre Verhältnisse. Sie leben auf Kosten ihrer eigenen künftigen Generationen. Schon heute sind die Folgen des Wirtschaftens vergangener Jahre sichtbar, wenn man an das vermehrte Auftreten der Umweltkatastrophen oder -schäden denkt (z.B. Sommer-Flut 2002, Trockenheit im Jahrhundertsommer 2003). Bei einer unveränderten Lebens- und Wirtschaftsweise bleiben künftigen Generationen kaum noch Spielräume sich zu entwickeln. Sie werden mit den Reparaturen, sofern überhaupt noch möglich, beschäftigt sein. Dabei geht es aber nicht nur um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern z.B. auch um den Abbau der Staatsverschuldung, um die Rentenreform, um das Gesundheitswesen, etc.

Der globale Aspekt, die Nord-Süd-Problematik
Der Lebensstil der Menschen auf der Nordhalbkugel geht auch auf Kosten der sog. Entwicklungsländer. Die Lösung des Nord-Süd-Konflikts wird neben der Verantwortung für künftige Generationen zunehmend zu einem wichtigen Thema der Nachhaltigkeit. Global gesehen hat man erkannt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den armen Ländern, wenn sie nach dem Vorbild der Industriestaaten vonstatten geht, sowie ein weiteres Wachstum im bisherigen Stil die natürlichen Ressourcen und Umweltmedien überlasten wird. Nach Schnappauf (2001) muss das Ziel der hochindustrialisierten Wohlstands-Länder wie Deutschland sein, die Konfliktfelder des 21. Jahrhunderts - Armut, Hunger, Wasserknappheit - zu beheben.

Damit könnte zum einen die Umweltzerstörung aufgehalten und zum anderen die Gefahr von Kriegen (z.B. ums Wasser) vermindert werden. Die Verknüpfung von Umwelt- und Entwicklungszielen ist heute international als Grundlage für eine weltweite Strategie einer nachhaltigen Entwicklung anerkannt.

Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit
wurde durch die Bundesregierung (1997) definiert: "Nachhaltig ist eine Entwicklung, die drei Aspekte zusammenführt: die Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen muss mit der langfristigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen in Einklang gebracht werden."

Es geht also um die drei Aspekte: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Jeder Bereich hat den selben Stellenwert. Sie stehen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander und beeinflussen sich gegenseitig, deshalb symbolisiert ihre Beziehung untereinander ein gleichseitiges Dreieck. Das Prinzip der Nachhaltigkeit bedeutet, dass Entscheidungen immer wieder auf ihre Zukunftsverträglichkeit hin überprüft werden müssen. Die drei oftmals als gegensätzlich betrachteten Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Soziales müssen als Einheit verstanden werden, um sie dann in einem Handlungsprogramm zu vereinen, das dem Prinzip der Nachhaltigkeit gerecht wird.

Bürgerengagement / Partizipation
Im Sinne der Agenda 21 stehen die Menschen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Dieser Grundsatz betont den anthropozentrischen Charakter der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit lässt sich demnach gut umsetzen, wenn sich möglichst viele Bürger und Gruppen an Projekten beteiligen. Eine im Konsens verabschiedete Lösung wird am ehesten von den Beteiligten mitgetragen. Die Sicht und die Meinung der Anderen wird durch den Dialog akzeptiert und Verständnis füreinander aufgebaut. Eine Identifizierung mit dem Erreichten und die Verantwortungsbereitschaft wird so geweckt. Nachhaltigkeit benötigt das Engagement aller Gruppen und Bürger in unserer Gesellschaft, von der Privatwirtschaft, den Bauern, den Kommunen, über die nichtstaatlichen Organisationen bis hin zu den Arbeitnehmern, Gewerkschaften, Wissenschaft und Technik. Diese Überlegung führt zur aktuell viel diskutierten "Aktiven Bürgergesellschaft". Das "soziale Kapital", wie die Stärken der Bürger auch genannt werden, gewinnt entscheidend an Bedeutung, wenn Politik und Verwaltung es anerkennen und souverän fördern. Die Wissens- und Informationsgesellschaft bietet neue Chancen für Planungsprozesse und damit auch neue Arbeitsplätze. Dabei sind Bildung und das capacity building zentrale Themen.

Lebensqualität
Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben soll, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, mit der Chance auf Bildung und Arbeit. Jeder Mensch soll Verantwortung für sich und für andere übernehmen, er soll in einem Netz sozialer Beziehungen und in einer gesunden und sicheren Umwelt leben können. Lebensqualität bedeutet also neben einer intakten Umwelt auch Gesundheit, persönliche Entfaltungsmöglichkeiten, befriedigende Arbeit, angemessener Wohnraum, ausreichendes Einkommen, gesellschaftliche Anerkennung ebenso wie gute Schulen, ein lebenswerter und sicherer Ort mit vielfältigen kulturellen Angeboten.

Es geht auch um Vorbeugung von Armut und sozialer Ausgrenzung, um die Verhinderung einer Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer, um die Beteiligung aller Bevölkerungsschichten an der wirtschaftlichen Entwicklung und die Ermöglichung ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben.

Die Agenda 21 von Rio

Bekannt wurde der Begriff der Nachhaltigkeit durch die Agenda 21 von Rio 1992. Sie ist eine politische Vision bzw. Forderung nach einer nachhaltigen, dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, ein Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. 179 Staaten haben ihr durch ihre Unterschrift anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro zugestimmt. Es werden darin die dringlichsten Fragen von heute angesprochen. Gleichzeitig wird versucht, die Welt auf die Herausforderungen des nächsten Jahrhunderts vorzubereiten. Neu war damals das Bekenntnis, dass ökologische, ökonomische und soziale Probleme zusammenhängen und dementsprechend auch zusammenhängend gelöst werden müssen. Die isolierte Diskussion über Umweltproblematik wurde demnach aufgebrochen und bekam in einer ganzheitlichen Sichtweise der Problemfelder neuen Schwung. Die Agenda 21 ist Ausdruck eines globalen Konsenses und einer politischen Verpflichtung auf höchster Ebene zur Zusammenarbeit im Bereich Entwicklung und Umwelt.

Bei der Agenda 21 geht es um folgende Prinzipien:

Die Forderung nach Nachhaltigkeit wird heute bereits in vielen Kommunen in der kommunalen Agenda 21 oder in Verfahren, die zwar anders heißen, aber nach den Grundsätzen einer Lokalen Agenda 21 arbeiten, umgesetzt.

Die besondere Rolle der Kommunen im Lokalen Agenda 21-Prozess

Aus der Agenda 21 geht die Lokale bzw. Kommunale Agenda 21 hervor.

Kapitel 28 der Agenda 21: Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21:

Die Kernidee lautet: "Global denken - lokal handeln". Ziel ist eine Entwicklung in den Städten und Gemeinden, die sozial verantwortlich, umweltbewusst und wirtschaftlich erfolgreich ist. Bei einer Lokalen Agenda 21 geht um die Frage, welche Maßnahmen die einzelnen Länder, Regionen und Kommunen treffen können, um die Ziele der Agenda 21 umzusetzen. Denn lokale Agenda-Prozesse bündeln, fördern und organisieren die nachhaltige Entwicklung einer Kommune:

3.2.1 Charta von Aalborg

Aufgrund der in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewandelten Rahmenbedingungen und Strukturveränderungen haben sich - aufbauend auf der Rio-Agenda (1992) und speziell auf Kommunen ausgerichtet - am 27.5.1994 europäische Städte und Gemeinden einen Handlungsrahmen, eine Vereinbarung gegeben: die Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit.

Die Charta von Aalborg (Charter of European Cities & Towns Towards Sustainability) wurde auf der Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden in Aalborg (Dänemark) beschlossen und vom Internationalen Rat für Kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) inhaltlich ausgerichtet. Aus 34 Staaten kamen über 600 Abgesandte aus Kommunen, Verbänden, nationalen Regierungen, wissenschaftlichen Instituten und internationalen Organisationen. Die Teilnehmer verständigten sich über folgende die Kommunen betreffenden Inhalte:

Die Charta von Aalborg war demnach für viele Kommunen der Auslöser, eine eigene Lokale Agenda 21 aufzustellen. Nicht umsonst fordert Kap. 28 der Agenda 21 die Kommunen auf, eine eigene Lokale Agenda 21 aufzustellen, denn "die Lokale Agenda 21 ist eine speziell auf den Problem- und Kompetenzbereich einer lokalen Verwaltungseinheit (wie beispielsweise) einer Kommune oder eines Kreises bezogene Zielsetzung der Agenda 21."

Oft laufen in Gemeinden schon Verfahren, die viel Ähnlichkeit mit einer Agenda 21 haben, z.B. Dorferneuerungen, Aufstellung von Landschaftsplänen, Fremdenverkehrskonzepte, etc. Die dort gebildeten Arbeitskreise beschäftigen sich bereits mit ökologischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Themen, die auch Inhalt einer Kommunalen Agenda 21 sein können.

Chance für eine nachhaltige Entwicklung in den Gemeinden

Das neue am Rio-Programm ist erstens die zusammenhängende Betrachtung von ökologischen, wirtschaftlichen, kulturellen, politischen sowie sozialen Fragen und die Verknüpfung ihrer Lösungen. Zum zweiten sind die bewusst am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichteten Entscheidungen ein wesentliches Merkmal. Der dritte Punkt ist die Aufforderung und Chance an alle Menschen ihre Zukunft in einer Lokalen Agenda 21 selbst mitzugestalten. Das Rio-Programm beschreibt Methoden und Qualitätsziele für Entscheidungsprozesse, doch letztendlich bestimmt jede Kommune selbst den für sie passenden Weg. Sicher ist, dass "ein ausgehandelter Konsens teure Volksentscheide verhindert. Die Idee der Lokalen Agenda 21 kann ungeheuer viel leisten - wenn Kooperation, Organisation und Beteiligung tatsächlich funktionieren."

Den Kommunen kommt eine Schlüsselstellung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung zu, denn eine nachhaltige Entwicklung kann nicht primär vom Staat verordnet werden. Die Kommunen planen, errichten und verwalten die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur. Sie entscheiden über die kommunale Umweltpolitik und wirken mit an der Umsetzung der Landes-, der nationalen und der EU-Umweltpolitik. Die Städte und Gemeinden bieten als bürgernächste Ebenen die beste Plattform für eine Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen und Bürgern an einer nachhaltigen Entwicklung. In den Städten und Gemeinden findet das tägliche Leben statt, weil hier gebaut, gelebt und gewirtschaftet wird, weil die Kinder hier die Schule oder den Kindergarten besuchen, weil hier soziale Kontakte entstehen. Desweiteren werden in Städten und Gemeinden politische Entscheidungen getroffen, die die Bürger unmittelbar betreffen.

"Städte und Gemeinden sind die Orte, an denen Menschen sich an der Gestaltung ihrer Lebensumgebung direkt beteiligen können. Und: hier werden durch den täglichen Konsum von Lebensmitteln und Waren und durch den Verbrauch von Energie und Rohstoffen die Lebensbedingungen von Menschen in anderen Ländern und Regionen - bewusst oder unbewusst - mitgestaltet."

Aus diesem Grund werden alle Kommunen der Welt aufgefordert, ihre eigene, speziell auf die Situation ihres Ortes zugeschnittene Lokale Agenda 21 aufzustellen. Das bedeutet auch, dass die Kommunen nicht nur mit ihren Bürgern in eine Dialog kommen sollen, um gemeinsam eine Lokale Agenda 21 zu beschließen, sondern dass es ihre Aufgabe ist, den LA 21-Prozess weiter zu organisieren und zu koordinieren. Denn die Kommune hat eine doppelte Funktion: zum einen ist sie Beteiligte des LA 21-Prozesses und zum anderen gleichzeitig Verfahrensführerin.

Die Kommunen stehen auf ihrem Weg zur "Lokalen Agenda 21" damit nicht erst am Anfang. Neu ist jedoch die vorgeschlagene Vorgehensweise, Umwelt und Entwicklung auch auf örtlicher Ebene im Rahmen einer Sozialverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und ggf. auch internationalen Kooperation voranzubringen. Die Erstellung einer Lokalen Agenda 21 ermöglicht das Finden klarerer und vielleicht neuer Leitbilder und Orientierungen für die künftige Wirtschafts- und Lebensweise.

Dabei können Kommunen auf einer Vielzahl bewährter, auf kommunaler Ebene bereits verankerter Planungsinstrumente aufbauen. Für ein Nachhaltigkeitskonzept können z.B. genutzt werden:

Die Kommunale Agenda 21 ermöglicht es, die bewährten Instrumente systematischer, gebündelter und speziell aus Vorsorge bzw. Nachhaltigkeitsaspekten neu anzugehen. Ein neuer Aspekt ist die Kooperation zwischen Stadt und Region bzw. die städtepartnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit. Eine Kooperation zwischen der örtlichen Wirtschaft und der Kommune kann dazu beitragen, die Einzelinteressen der Betriebe in Richtung einer gemeinsamen kommunalen Verantwortung zu lenken.

Eine große Bedeutung kommt dem Rat (z.B. Gemeinderat) als politisch legitimierte Volksvertretung zu. Seine besondere Aufgabe besteht darin, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu schaffen, ohne die Handlungsbereitschaft der einzelnen Akteure zu vermindern. In der täglichen Praxis begrenzt der Rat die negativen - meist ökologischen oder sozialen - Auswirkungen auf die Gemeinde durch seine Entscheidungen. Die entscheidende Neuerung in Richtung Zukunftsbeständigkeit bzw. Nachhaltigkeit besteht nun darin, wenn der Rat einen Konsens mit den Bürgern herstellt, damit diese ihr Handeln auf ein gemeinsames Ziel ausrichten. Idealerweise sollte der Rat die Umsetzung des kommunalen Agenda 21-Prozesses begleiten, Prozesse ermöglichen und auch eine "Erfolgskontrolle" ausüben.

Informelle Planung und Kommune: Neue Managementformen

Wachsende Komplexität, differenzierte Rahmenbedingungen und immer schwerer zusammenzuführende heterogene Akteure erfordern mehr Managementfunktionen von den Kommunen. Die individuellen Eigenschaften einer Kommune - Entwicklungsstand, wirtschaftliche, ökologische, städtebauliche, regionale, soziokulturelle Entwicklung - bedingen unterschiedlicher Konzepte.

Durch kommunalen Agenda-21-Prozesse können Kommunen versuchen, eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Einigkeit besteht allgemein, dass es kein Universal-Modell einer kommunalen Agenda 21 gibt.

Die Breite und Vielschichtigkeit des Managements ist abhängig von den individuellen Gegebenheiten und Faktoren der jeweiligen Gemeinden, z.B. von der Größe der Gemeinde, vom Engagement des Rates, der Verwaltung und aller sonstigen gesellschaftlichen Kräfte, von den Aktivitäten der Bürger und den Interessen- und Betroffenengruppen und von den wirtschaftlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten.

Bürgerengagement / Bürgerbeteiligung

In der Umwelt- und Entwicklungspolitik sind neue Formen der Partizipation notwendig geworden. Dabei ist die Einbeziehung von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen von entscheidender Bedeutung bei Entscheidungen, die alle betreffen.

Unter Bürgerengagement ist die Beteiligung von unterschiedlichsten Bürgergruppierungen zu verstehen. Sie bedeutet nicht, dass sich alle Bürger beteiligen müssen, sondern die Bürger durch das Bereitstellen von Partizipations-Möglichkeiten zur Beteiligung zu motivieren und zu aktivieren. Die Mitgestaltung ist wesentlichster Punkt bei der Bürgerbeteiligung, das bedeutet Mitarbeit am Konzept und dessen Realisierung. Die Bürgerbeteiligung hat den Nebeneffekt, dass sich neue Kontakte ergeben, sich ein größeres Gemeinschaftsgefühl entwickelt. Menschen haben die Möglichkeit sich für eine bestimmte Zeit für ein bestimmtes Projekt zu engagieren, also auch durchaus eigennützig zu handeln. In Gremien der Bürgerbeteiligung engagieren sich Menschen, die nicht sechs Jahre im Gemeinderat arbeiten wollen. Sie können jedoch ihr Fachwissen für ein spezielles Thema bzw. Projekt einbringen, von dem sie etwas verstehen oder das sie betrifft. Die Vernetzung der Bürger ermöglicht es, Probleme auch aus der Sicht anderer Gruppen zu sehen und damit mehr Verständnis für neue Lösungen zu wecken.

Kap. 23 der Agenda 21 wird deshalb auch als Präambel zur "Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen" verstanden. Die Voraussetzung für eine gute und effektive Bürgerbeteiligung ist die Motivation der Bürger zu wecken: "Ein wesentlicher Faktor für die wirksame Umsetzung der Ziele, Maßnahmen und Mechanismen ... ist das Engagement und die echte Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen. ... Eine der Grundvoraussetzungen für die Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung ist die umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung."

Bürgerbeteiligung ist nicht neu. Eine allseits bekannte Form sind die Bürgerinitiativen, bei denen sich die Menschen immer gegen geplante Vorhaben oder befürchtete Beeinträchtigungen und Belästigungen in ihrem Wohnumfeld wehren. Die Motivation ist stets geprägt aus der Sorge um den Verlust der momentanen Lebensqualität. Am Ende gibt es immer Gewinner und Verlierer. In einer neuen Form der Bürgerbeteiligung, in der die Bürger frühzeitig in den Planungsprozess miteinbezogen werden, wird diese Problematik entschärft. Idealerweise herrscht am Ende eine win-win-Situation, bei der es keine echten Verlierer geben sollte.

Durch eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung werden insbesondere die weichen Standortfaktoren (z.B. Wissen, Attraktivität, Individualität) gestärkt. In der Bürgerarbeit lässt sich ein großer Motivationsschub erkennen. Bisher unerreichbare Ziele werden plötzlich erreicht; Defizite werden aufgedeckt. Die Bürger bekommen eine neue Sicht der eigenen Heimat. Durch den Dialog entstehen neue innovative Gedanken. Agenda 21-Aktivitäten fördern die ehrenamtlichen Mitarbeit, die demokratische Basisarbeit wird wieder neu ins Leben gerufen. Die Bürger reden (wieder) miteinander, sie denken miteinander, bisher Unbekannte werden zu Bekannten, Freunden.

Als weiterer positiver Effekt, der durch mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Bürgern, entsteht, zählt die Überwindung der Politikverdrossenheit, wie sie auch das Chinesische Sprichwort beschreibt. Infolge unüberschaubarer politischer Gremien sowie Macht- und Sinnlosigkeitserfahrungen bei politischen Entscheidungen kommt es bei vielen Menschen zu einem Desinteresse an der Politik und zu einer hohen Anspruchshaltung an staatlichen Leistungen. Durch die Mitarbeit der Bürger und daraus entstehenden Erfahrungen, dass politische Entscheidungen ein immer komplexerer Interessensausgleich werden, wird das Verständnis für Politik gefördert. Damit werden Informationsdefizite beseitigt und die Akzeptanz für getroffene Entscheidungen bei den Bürgern erhöht. Diese Effekte, nämlich eine breite Basis von Verantwortlichen und Entscheidungsträgern, machen Entscheidungen erst nachhaltig.

"Sagst Du´s mir, so vergesse ich es.
Zeigst Du´s mir, so merke ich es mir vielleicht.
Läßt Du mich teilhaben, so behalte ich es."
Chinesisches Sprichwort

Eine erfolgversprechende Bürgerbeteiligung, wie sie als neue Form beschrieben wurde, bedarf gewisser organisatorischer Strukturen - einer Partizipationsfähigkeit - in der Verwaltung. Die Neuorientierung der Verwaltung hinsichtlich der ressortmäßigen Arbeitsweise und Aufgabenverteilung ist eng verbunden mit der Diskussion über die Reform des Öffentlichen Dienstes zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen. Eine Reihe von Studien und Untersuchungen belegt ebenfalls: eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung bzw. erfolgreiche Lokale Agenda 21-Prozesse bedürfen gewissen Strukturen und Verbindlichkeiten. Auch die Umsetzung der Ideen aus der Bürgerbeteiligung erfordert Professionalität. Viele Visionen und Ideen scheitern an der Finanzierung oder an der fehlenden politischen Unterstützung. Die großen Themen der Kommunalpolitik werden oft nicht im Sinne einer Lokalen Agenda 21 verknüpft und erarbeitet. Gemeinderäte fürchten noch oft die Konkurrenz, denn traditionell war es ihre Legitimation, über die Zukunft der Gemeinde zu entscheiden.

Delegation nach unten und Dezentralisierung unter eigenverantwortlicher Regie fördern die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens und bringen eine neue Wertschätzung der kleineren Einheiten (für sich selbst, für die Familie, Nachbarn, Heimat, also für die eigene Gemeinde) hervor. Dies führt zu der von Glück geforderten neuen Bürger- und Sozialkultur, denn für die Zukunft sind "lebendige Gemeinschaften wichtiger als perfekte Bauten" (Glück, 1998) Die Klärung der Bedeutung von Leitbildern und Ansatzpunkten für gemeinsames Handeln, also der Inhalt der Planung, wird am besten von den Akteuren vor Ort getroffen, weil sie die Probleme am genauesten kennen.

Wie müssen die Strukturen aussehen, die Menschen zur Beteiligung motivieren und aktivieren ? Wie erhalten die Strukturen Verbindlichkeit für die politischen Entscheidungsträger?

Inhalt und Verfahren einer kommunalen Agenda 21

Die Lokale Agenda 21 ist zum einen durch den Weg (dem inhaltlichen Gegenstand) und zum anderen durch das Ziel (der Verfahrenskultur) definiert. Ersteres ist das Prinzip der Nachhaltigkeit (bereits definiert und diskutiert). Das Zweite, das Ziel soll verwirklicht werden, indem alle Entscheidungen im Konsens mit den Beteiligten getroffen werden, damit sie auch von allen getragen werden.

Die LA 21 ist ein langfristiges, überparteiliches kommunales Handlungsprogramm mit dem Ziel einer zukunftsbeständigen Entwicklung der Kommunen im 21. Jahrhundert. Die Ziele der Agenda 21 werden auf die spezielle kommunale Situation übertragen, indem jede Kommune aus dem übergeordneten Leitbild der Agenda 21 ihr eigenes entwickelt. Das kommunale Leitbild soll die unterschiedlichen Maßnahmen der Kommunalpolitik auf ein gemeinsames Ziel richten, das die drei Faktoren - wirtschaftliche, soziale und ökologische Interessen- gleichermaßen berücksichtigt. Dabei kommt nicht nur der Steigerung der Lebensqualität, sondern auch einer spürbaren Verbesserung der globalen Umweltsituation eine große Bedeutung zu.

Die Erstellung einer Kommunalen Agenda 21 stellt kommunalrechtlich eine freiwillige Aufgabe der Kommunen dar. Der Agenda-Prozess kann keine fachlichen Planungen ersetzen, sondern soll sie verknüpfen. Er ist eine Prozessplanung mit Rückkoppelung (Stichwort: Systemtheoretischer Ansatz). Er ist kein Patent-Rezept, es gibt keine einheitliche "Musteragenda", sondern er ist ein individueller Prozess. Die Richtung wird von den Beteiligten selbst vorgegeben, wobei sich der Prozess den Gegebenheiten anpassen muss. Das bedeutet auch, dass eine Korrektur möglich sein kann. Während des Ablaufs werden neue Richtungen gefunden. Der Weg ist das Ziel. Deshalb ist er auch ein offener Prozess, bei dem das Ende noch nicht klar definiert ist. Der Prozess ist mit einem Trichter vergleichbar: oben offen für alle Ideen, bei der Umsetzung werden jedoch Prioritäten vergeben, jedoch geht keine Idee verloren, denn alles wird festgehalten. Wichtig ist, dass eine gewisse Struktur geschaffen wird, damit das Engagement und die Motivation der Teilnehmer nicht unter formalen Unzulänglichkeiten leiden.

Zum einen lernen die Kommunen von ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und Privatwirtschaft und gelangen so an die Informationen, die für eine LA 21 wichtig sind. Zum anderen wird bei den Beteiligten das Bewusstsein für eine nachhaltige Entwicklung geschärft. Ziel ist auf jeden Fall einen langfristigen kommunalen Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung in der Kommune zu erarbeiten. Deshalb ist das Ziel die Konsensfindung gemeinsam mit allen Beteiligten.

Leitbild

Planung im herkömmlichen Sinn geht von festen Zielen aus und bedeutet die Festlegung der Wege zum Ziel. Bei einer Lokalen Agenda 21 heißen diese Ziele Leitbilder. Es handelt sich dabei um eher abstrakte Ziele oder Visionen, aus denen dann konkrete Ziele und Maßnahmen abgeleitet werden.

Ein herausragender Aspekt der Agenda 21 ist also die Erarbeitung eines Leitbildes, das als Orientierungsrahmen für künftige kommunale Entscheidungen gelten soll. Es soll den Entscheidungsträgern zeigen, wie sich die Bürger ihre Lebens(um)welt vorstellen, in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht. Diese Art der Mitwirkung lässt sich als entscheidungsvorbereitend einstufen. Sie ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und damit unverbindlich. Werden die Vorschläge jedoch von der Kommunalpolitik und -verwaltung ernst genommen, so entstehen in der Anwendung der Agenda-Ergebnisse neue Formen der Partizipation mit dem Ziel, dass beide Seiten, Bürger und Politik, verantwortlich für das Wirken der Maßnahmen sind.

Ein Leitbild beschreibt einen anzustrebenden Sollzustand, eine erste Orientierung, es enthält generelle Grundaussagen. Im Leitbild wird zunächst noch kein Zeitrahmen und keine konkreten Maßnahmen genannt. Das Leitbild ist abstrakt, was konsensfördernd wird. Grundsätzlich werden die Ziele als erreichbar angesehen. Eine Bewertung nimmt Chancen der Realisierung auf. Das Ziel des Leitbildes im Agenda-Prozess ist die grundsätzliche Einigung der betroffenen Akteure in einem Prozess, einem Konsens, was die weitergehende Verständigung der Beteiligten erleichtert. Das Leitbild ist die Vorbereitung zur Integration in förmliche Programme und Pläne, damit die Ergebnisse ihre Bindungswirkung entfalten können. Dazu ist eine konkretere Ausdifferenzierung nötig, z.B. Kommunalen Handlungsprogrammen.

Ein Leitbild ist eine Zielvorstellung, ein Konzept für die künftige Entwicklung der Gemeinde. Die Erarbeitung erfolgt unter Einbeziehung der Bürger und in realistischer Einschätzung der vorhandenen Potentiale. Deshalb ist eine vorausgehende Stärken-Schwächen-Analyse vorteilhaft. Im späteren Verlauf der Planungen dient das Leitbild als Grundlage für konkrete Entscheidungen in der Flurneuordnung und Dorferneuerung.


Von Dipl.-Ing. Claudia Rossmann
(Auszug aus Diplomarbeit "Neue Herausforderungen an Kommunal- und Landentwicklung 2010" an der TU München, Institut für Geodäsie, GIS und Landmanagement, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung, 2004)